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Interview

Die besten Strategien für Lebensqualität trotz Parkinson

Wie ein gesunder Lebensstil den Verlauf von Parkinson positiv beeinflussen kann 

Muhammad Ali, der wohl bekannteste Patient, hat mehr als drei Jahrzehnte gekämpft. 2016 hat er verloren, ein zitternder, verwirrter Mann, der kaum mehr die Arme heben und gehen konnte. Viele haben solche Bilder im Kopf, wenn sie an Parkinson denken. „Doch sie zeigen nur das Endstadium oder besonders seltene schwere Fälle“, sagt Professor Dr. med. Sergiu Groppa. „Mehrheitlich können Patienten heute über Jahrzehnte ein nahezu normales Leben führen.“ Wir sprachen mit ihm über Ursachen und Symptome der zweithäufigsten neurologischen Erkrankung – nach Alzheimer –, und über Therapien und Lebensweisen, die Parkinson den Schrecken nehmen.

ca. 5 Minuten

*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.

Foto: wix

Joggen am Spreekanal

„Eine Diagnose ist erst einmal nur der Appell, ein aktives, gesundes Leben zu führen“​

Prof. Groppa

Foto:© Universitätsmedizin Mainz 

​Prof. Med. Sergiu Groppa ist Leiter der Sektion Bewegungsstörungen und Neurostimulation und Geschäftsführender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Mainz.

​Gesundheitskompass für Wiesbaden: Muhammad Ali war 41 Jahre alt, als er erste Symptome bemerkte, ein leichtes Zittern, Schwächegefühle in der Muskulatur. Ist das überdurchschnittlich jung?
Prof. Dr. med. Sergiu Groppa: Bei vielen Patienten treten die ersten Symptome sogar früher auf, deutlich vor dem 45sten Geburtstag, bei den meisten allerdings erst nach dem 60sten Lebensjahr.

Gesundheitskompass: Gibt es eindeutige erste Anzeichen für die Krankheit?
Prof. Groppa: Die Symptome sind von Beginn an sehr individuell. Aber verbreitet treten, mit als erstes, diffuse Schmerzen auf, und die Bewegungen werden langsamer. Oft bemerkt man eine Einseitigkeit. Beim Joggen geht zum Beispiel der rechte Arm nicht mehr mit oder das linke Bein fühlt sich seltsam schwach an. Längst nicht bei allen tritt das Zittern auf, das viele mit Morbus Parkinson in Verbindung bringen.

 

Gesundheitskompass: Was sollte man tun, wenn man einen Verdacht hat?

Prof. Groppa: Man sollte sich an einen Neurologen* wenden, der auf Parkinson spezialisiert ist. Es gibt einige klinische Untersuchungen zur Diagnose. Unterstützend können der sogenannte L-Dopa-Test und bildgebende Verfahren wie ein MRT oder DAT-SCAN eingesetzt werden. Sie machen Gehirnregionen sichtbar, in denen sich Hinweise auf die Krankheit finden können.

Gesundheitskompass: Können Sie den L-Dopa-Test bitte kurz erklären?
Prof. Groppa: Wenn wir hier von Parkinson sprechen, dann von der idiopathischen Form, deren Entstehung unklar ist. Sie macht rund 80 Prozent der Erkrankungen aus. Die restlichen 20 Prozent sind atypische Formen, die medikamentös bedingt sind oder andere Ursachen haben. Was wir jedoch über die idiopathischen Form wissen ist, dass ein Mangel an Dopamin besteht. Dopamin ist ein Botenstoff, über den Nervenzellen kommunizieren. Sein Mangel oder Fehlen bewirkt die Symptome. Beim L-Dopa-Test wird Dopamin in Medikamentenform gegeben. Verbessern sich die Beschwerden deutlich, spricht es für eine klassische Parkinsonerkrankung.

Gesundheitskompass: Die meisten Patienten reagieren auf die Diagnose sicherlich mit großer Angst. Sie scheint nicht unbegründet zu sein, angesichts der Symptome wie Zittern, Lähmungen, Versteifungen, veränderte Wahrnehmungen und Emotionen, Störungen der Verdauung, der Sexualität, Formen der Demenz.
Prof. Groppa: Aber dazu kommt es in den wenigsten Fällen oder erst nach Jahrzehnten. Und je früher die Krankheit festgestellt wird, desto größer ist die Chance, dass sich die Symptome für eine lange Zeit gar nicht erst manifestieren oder mild bleiben. Sie lassen sich heutzutage sehr gut behandeln, oft sogar ohne Medikamente, allein mit individueller Physio- und Psychotherapie und mit einer Umstellung des Lebensstils.

Gesundheitskompass: Wie sollte man mit Parkinson leben?
Prof. Groppa: Gesund und aktiv. Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Gut ist eine mediterrane Diät mit Olivenöl, Fisch, viel Gemüse. Übergewicht und zu viele Kohlenhydrate sind zu vermeiden. Studien weisen auf einen Zusammenhang hin zwischen Parkinson und Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit. Wichtig ist auch, dass die Betroffenen aktiv bleiben oder werden, nicht nur körperlich, auch gesellschaftlich. Die Diagnose sollte nicht dazu führen, sich aus dem Berufsleben, dem Freundeskreis oder der Familie zurückzuziehen.  

Gesundheitskompass.de: Depressionen, ein weiteres Symptom der Krankheit, führen aber genau dazu.
Prof. Groppa: Das ist richtig. Darum ist, neben der ärztlichen und psysiotherapeutischen, eine psychologische oder psychotherapeutische Begleitung wichtig. Patienten können Strategien lernen, um ihr Verhalten und ihre Emotionen zu kontrollieren, dazu zählen Entspannungsstechniken, Körperwahrnehmungsübungen und einiges mehr.

Gesundheitskompass: Gibt es Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsstoffe, die den Dopaminhaushalt ankurbeln oder den Mangel ausgleichen können?
Prof. Groppa: Nein. Allerdings ist es gut, möglichst unbelastete Lebensmittel zu essen. Es gibt Studien, die eindeutig einen Zusammenhang zwischen bestimmten, inzwischen verbotenen, Pestiziden und Parkinson nachweisen. Auch das chemische Element Mangan, das in die Nahrungskette gelangen kann, hat in größeren Mengen Einfluss auf das Auftreten von Parkinson.

Gesundheitskompass: Also sollte man vorsichtshalber, auch vorbeugend, Bioware bevorzugen?
Prof. Groppa: Genau. Studien, die das eindeutig belegen, gibt es dazu zwar nicht, aber man macht sicherlich nichts falsch, wenn man wenig belastete Lebensmittel und Materialien bevorzugt.

Gesundheitskompass: Kann man Parkinson überhaupt vorbeugen?
Prof. Groppa: Nein. Aber wenn Sie über Jahre regelmäßig Sport treiben und sich gesund und schadstoffarm ernähren, wird die Krankheit später auftreten und die die Symptome werden weniger stark sein. Ganz vermeiden lässt Parkinson sich aber nicht.

Gesundheitskompass: In Deutschland gibt es zur Zeit rund 400 000 Menschen mit Morbus Parkinson. Im Lauf des Lebens sind ein bis zwei pro 1000 Menschen betroffen, in China deutlich weniger, auf Sizilien viel mehr. Wie erklären Sie die regionalen Unterschiede?
Prof. Groppa: Das hat zum einen sicherlich genetische Ursachen, denn es besteht eine genetische Disposition für die Erkrankung. Das bedeutet, sie muss nicht ausbrechen, aber es ist wahrscheinlicher als beim Durchschnitt. Zum anderen hängt es womöglich mit Umweltfaktoren zusammen. Im ländlichen Raum ist das Risiko zu erkranken wegen dem Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft größer, auch in Bergbauregionen ist es erhöht. In China, das beim Pestizidverbrauch kräftig aufholt, steigen die Zahlen übrigens an.

Gesundheitskompass: Zu den Therapien bei Parkinson zählen auch operative Eingriffe. Für wen sind sie geeignet?

Prof. Groppa: Sie können bei Fortschreiten der Erkrankung notwendig werden. Dazu zählt zum Beispiel eine Duodopa-Behandlung, bei der eine Pumpe die Medikamentengabe übernimmt, oder ein Hirnschrittmacher. Eine Beratung dazu ist in einem spezialisierten Zentrum möglich, in dem sich Patienten vorstellen sollen, wenn keine gute Einstellung der Erkrankung mit Medikamenten möglich wird. Es wird dann jeweils individuell entschieden, ob solche invasiven Therapien in Frage kommen.

Gesundheitskompass: Noch verläuft die Erkrankung chronisch. Wann rechnen Sie mit einer Therapie, die Parkinson heilt?

Prof. Groppa: Wir sind in den vergangenen 20 Jahren sehr weit gekommen. Die Forschung hat Wege gefunden, die Symptome zu mildern und den Verlauf zu verlangsamen, und ich bin zuversichtlich, dass wir weiterhin große Fortschritte machen werden. Sagen wir so, wenn Sie heute mit 45 erkranken, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie innerhalb der kommenden 30 Jahre geheilt werden können, durchaus gegeben.

Gesundheitskompass: Professor Groppa, vielen Dank für das Gespräch!

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