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Interview

Sonnenschutz

Wichtig und notwendig

„Liebe, liebe Sonne“, so huldigt ein Kinderlied unserem Lebenselixier, das glücklich macht. Doch auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Frau Professorin Christiane Bayerl erklärt, wie sich die Belastung durch UV-Strahlung und das Krebsrisiko in heißen Zeiten minimieren lassen – und welche Rollen unter anderem Möhren, Hüte und der Clownschminke-Effekt dabei spielen.

ca. 8 Minuten

*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.

Foto: unsplash

Image by James Douglas

„Gegen einen Spaziergang, gut geschützt und nicht in praller Mittagssonne, ist nichts einzuwenden“

Prof Bayerl

Foto: Helios HSK

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl ist Hautärztin und Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie und Leiterin des Hauttumorzentrums an den Helios HSK Wiesbaden. Ihre Forschungs- und Interessenschwerpunkte sind die positiven Effekte der UV-Strahlung auf die Psyche und die antientzündliche Wirkung bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Psoriasis, Lichen ruber und dem kutanen T-Zell-Lymphom sowie die negativen Effekte bei der Tumorentstehung und Hautalterung. Mehr Informationen

Gesundheitskompass für Wiesbaden: Viele der Generation 50 plus haben den Eindruck, dass die Sonne Jahr für Jahr aggressiver wird. Lässt sich das belegen?
Prof. Dr. Christiane Bayerl: Fakt ist, dass unsere Mobilität größer geworden ist und damit auch die Zeit, die wir in Regionen mit höherer UV-Strahlung verbringen, etwa in Äquatornähe, im Hochgebirge oder am Wasser, das UV-Strahlen reflektiert.

Gesundheitskompass: Also in unseren Breiten hat sich an der Intensität der Strahlung nichts geändert?
Prof. Bayerl: Wenig. Doch die negativen Effekte der UV-Strahlung summieren sich über die Lebensjahre. Wir verbringen eben gerne Zeit in der Sonne, beim Tennis, Golf, Cabriofahren, bei Fahrradtouren und auf Fernreisen. Mit 50 plus haben sich einige Sonnenstunden angesammelt und am Ende des Berufslebens, mit mehr Freizeit, kommen bei vielen einige weitere dazu.

Gesundheitskompass: In den 1960ern bis weit in die 1980er war Sonnenschutz die Ausnahme. Im Gegenteil, man verwendete beim Sonnenbaden Bräunungsöl und reflektierende Folien. Hat das zu einem signifikanten Anstieg von Hautkrebs geführt?
Prof. Bayerl: Ja, aktuelle Zahlen der Deutschen Krebshilfe belegen das. Rund 275 000 Menschen erkranken jährlich neu an Hautkrebs. Und Erwachsene, die in der Kindheit und Jugend häufig Sonnenbrände hatten, haben ein erhöhtes Risiko, ein Melanom zu entwickeln.

Gesundheitskompass: Der häufigste Tumor ist das Basiliom, eine Form des sogenannten weißen Hautkrebses. Ist daran auch die Sonne Schuld?
Prof. Bayerl: Ja, wenn auch nicht allein, die genetische Disposition spielt auch eine Rolle. Doch das Basiliom tritt typischerweise an UV-exponierten Hautstellen auf, den sogenannten Sonnenterassen.  Gesundheitskompass: Nicht wenige cremen sich und ihre Kinder das ganze Jahr über ein, auch bei bewölktem Himmel. Kann Übervorsicht schädlich sein?

 

Prof. Bayerl: Es ist kein Fehler, exponierte Haut zu schützen, und es ist ein Irrtum zu glauben, dass Sonnenschutz nur bei wolkenlosem Himmel notwendig ist. In Räumen und während der dunklen Winterzeit kann man jedoch in unseren Breiten darauf verzichten.

Gesundheitskompass: Was sollten Eltern bei der Auswahl der Cremes beachten?
Prof. Bayerl: Für Kinder wird gern auf chemisch wirksame Stoffe verzichtet und Sonnenschutz mit physikalischem Lichtschutz eingesetzt. Der weißelt zwar etwas, weil die Partikel, die vor der UV-Strahlung schützen, in die Hautfältchen rutschen. Aber Kindern ist dieser Clown-Schminke-Effekt üblicherweise egal.

Gesundheitskompass: Sind diese physikalischen oder chemische Inhaltsstoffe wirksamer?
Prof. Bayerl: Das kann man so nicht sagen, allerdings gilt, je mehr Inhaltsstoffe, desto besser der UV-Schutz. Man sollte Mittel nach Hauttyp auswählen, also bei trockener Haut eine Creme, bei fettiger Haut ein Gel oder Spray.

Gesundheitskompass: Gibt es Mittel, die von Allergikern besonders gut vertragen werden?
Prof. Bayerl: Die physikalischen Lichtschutzpräparate werden etwas besser vertragen, sind aber wegen des Weißelns bei Erwachsenen eher unbeliebt.

Gesundheitskompass: Viele Mittel brennen in den Augen, kann man die Region einfach aussparen?
Prof. Bayerl: Nein, auf keinen Fall! Für die empfindlichen Partien eignen sich Sticks, die auch für die Lippen verwendet werden. Die Paste haftet besser als eine Creme oder Lotion und läuft beim Schwitzen nicht in die Augen.

Gesundheitskompass: Sind Bio-Produkte die bessere Wahl?
Prof. Bayerl: Nein, nicht generell. Gute Präparate erkennt man an einem schwarzen Kreis auf der Verpackung, der den Hinweis „UVA“ enthält. Das Symbol bedeutet, dass das Mittel nicht nur gegen Sonnenbrand, sondern auch gegen Hautalterung und Faltenbildung schützt.

Gesundheitskompass: Gilt beim Sonnenschutz, viel hilft viel, also je höher der Schutzfaktor, desto besser?
Prof. Bayerl: Im Grunde ja. Man macht sicher nichts verkehrt, wenn man generell Mittel mit einem hohen Schutzfaktor auswählt und es großzügig aufträgt. Übrigens hat dunkle Haut zwar einen etwas besseren Eigenschutz, aber alle Menschen können einen Sonnenbrand bekommen. 

Gesundheitskompass: Der Lichtschutzfaktor gibt an, wie viel mal länger man sich der Sonne aussetzen kann, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Ist dem angegeben Wert immer zu trauen?
Prof. Bayerl: Nein. 50 zum Beispiel bedeutet nicht, dass wir 50 mal länger als ohne das Mittel in der Sonne bleiben können. Es ist nur ein theoretischer Wert. In der Praxis, bei einer üblichen Menge, die wir auftragen, fällt er wesentlich geringer aus.

Gesundheitskompass: Um wieviel geringer?
Prof. Bayerl: Studien zeigen, dass der Lichtschutzfaktor 50 auf sieben sinken kann, wenn wir uns mit normalen Mengen eincremen. Die Dauer des Aufenthalts sollte darum vorsichtshalber den Wert des angegebenen Lichtschutzfaktors deutlich unterschreiten.

Gesundheitskompass: Wenn die Sommersonne am höchsten steht, verlängert sich der Zeitraum, in dem wir geschützt sind, am wenigsten, richtig?
Prof. Bayerl: Das stimmt. Ich rate, die Mittagssonne im Sommer vorsichtshalber zu meiden, vor allem in südlichen Regionen. Das machen die Einheimischen vor, die Siesta halten.

Gesundheitskompass: Schützen neu gekaufte Mittel besser als Reste vom Vorjahr?
Prof. Bayerl: Der Schutz verringert sich nach dem vom Hersteller aufgedruckten Ablaufdatum. Zudem verändern sich Konsistenz, Farbe und mitunter auch der Geruch. Spätestens dann gehören Mittel in den Müll.

Gesundheitskompass: Wie gut schützen Badeanzüge, Hüte, Hemden und andere Textilien?
Prof. Bayerl: Weniger gut als viele denken. Nasse Baumwolle lässt immerhin 30 Prozent der UV-B-Strahlung durchdringen, trockene etwas weniger. Es gilt, je dichter gewirkt und je dunkler, umso besser. Textilien mit einem entspechenden Siegel haben einen zuverlässigen Lichtschutzfaktor.

Gesundheitskompass: Mit einem Hemd mit angegebenem LSF 50 kann man also, anders als mit einer Creme mit LSF 50, tatsächlich 50mal länger in der Sonne bleiben?

Prof. Bayerl: Ja, davon ist auszugehen. Vorsichtshalber sollte man auch bei Textilien den Wert nicht ausreizen. Und die nicht vom Textil bedeckten Hautstellen müssen natürlich zusätzlich mit Sonnenschutzpräparaten geschützt werden.

Gesundheitskompass: Welchen Schutzfaktor hat Schatten?
Prof. Bayerl: Das lässt sich nicht pauschal angeben. Aber auch unter einem Baum oder Schirm oder hinter einer Mauer erreicht uns UV-Strahlung. Wir bräunen und brauchen UV-Schutz.

Gesundheitskompass: Sollte man auch die Augen schützen?
Prof. Bayerl: Ja, unbedingt. Sonnenschutzgläser mit Siegel gehören zum Sonnenschutz, auch schon bei kleinen Kindern.

Gesundheitskompass: Wieviel  Sonne ist gesund?
Prof. Bayerl: So wenig wie möglich. Wer Sorge hat, zu wenig Vitamin D zu produzieren, kann den Wert vom Arzt überprüfen lassen und gegebenenfalls entsprechende Präparate einnehmen. Sonnenschutzmittel verhindern übrigens nicht die körpereigene Produktion von Vitamin D.

Gesundheitskompass: Und wie sieht es mit künstlicher Sonne aus, also mit Solarien, sollte man sie auch meiden?
Prof. Bayerl: Ja, auch künstliche UV-Strahlung erhöht das Krebsrisiko, dazu fördert sie die Hautalterung. Künstliche und natürliche UV-Strahlung zählen laut WHO zur höchsten Kategorie krebsauslösender Faktoren. Damit stehen sie auf einer Stufe mit Tabak und Asbest. Allerdings macht die Dosis das Gift. UV-Strahlung wird auch therapeutisch eingesetzt.

Gesundheitskompass: Am Strand, auf dem Balkon, im Park, jeder hat erfahren, dass Sonnenschein zweifellos auch eine positive Wirkung hat. Er hellt zum Beispiel die Stimmung auf.
Prof. Bayerl: Ja, gegen einen Spaziergang unter blauem Himmel, gut geschützt und nicht in praller Mittagssonne, ist nichts einzuwenden. Und richtig ist auch, dass therapeutisch eingesetzte UV-Strahlung segensreich bei Depressionen sein und positive Effekte bei Hauterkrankungen haben kann. Juckreiz und Hautentzündungen lassen sich mindern oder verschwinden. Diese Bestrahlungen geschehen jedoch unter ärztlicher Aufsicht, und die Geräte filtern schädigende Wellenlängen aus.

Gesundheitskompass: Das machen Solarien nicht?
Prof. Bayerl: Nicht unbedingt. Außerdem wird bei Solarien nicht, wie bei medizinischen Therapien, die Strahlung dokumentiert, die sich aufaddiert. Letztlich schadet uns die Summe der UV-Bestrahlung. Ich begrüße darum das Verbot von Sonnenstudios für Menschen unter 18 Jahren.

Gesundheitskompass: Gibt es Nahrungsmittel, die vor Sonne schützen?
Prof. Bayerl: Ja. Carotinhaltiges Gemüse wie Karotten und Paprika, das Lycopen in Tomaten und sogenannte „Radikalfänger“ aus Obst und Gemüse unterstützen den hauteigenen Schutzmechanismus, ebenso Beeren, Trauben, schwarzer, grüner und weißer Tee, die Antioxidantien und Polyphenole enthalten.

Gesundheitskompass: Kann Ernährung Sonnencreme ersetzen?
Prof. Bayerl: Nein, sie kann lediglich den hauteigenen Sonnenschutz erhöhen, immerhin etwa um den Lichtschutzfaktor zwei bis vier. Doch allgemein wird der Effekt des Sonnenschutzes über Ernährung überschätzt.

Gesundheitskompass: Was tun bei einem Sonnenbrand?
Prof. Bayerl: Keinen bekommen! Falls doch, die Haut kühlen. Erwachsene, die keine Unverträglichkeit haben, können innerhalb der ersten sechs Stunden hochdosiert entzündungshemmende Medikamente aus der Apotheke einnehmen, zum Beispiel zweimal 500 mg Aspirin.

Gesundheitskompass: Genügt bereits ein Sonnenbrand, um das Krebsrisiko zu erhöhen?
Prof. Bayerl: Nein, wir haben zum Glück Reparaturenzyme in jeder Zelle. Aber jede wiederholte UV-Bestrahlung fordert die Reparaturkapazität der Haut heraus, sogar dann, wenn die sogenannten Erythemschwelle nicht erreicht wird, also die Haut sich noch nicht gerötet hat.

Gesundheitskompass: Sehr geehrte Frau Professorin Bayerl, vielen Dank für das Gespräch!

 

Adressen & Informationen

UV-Index erfahren
Der Wert zeigt auf einer Skala von 1 bis 11 tagesaktuell die höchst mögliche Bestahlungsstärke an. Am höchsten ist sie zwischen 11.00 und 15.00 Uhr. Mehr Informationen und Werte für Ihre Region bietet das  Bundesamt für Strahlenschutz 

UV-Warnungen erhalten
Auf aktuelle kritische Werte für die gewünschte Region weist der Newsletter des Deutschen Wetterdiensts hin. Anmelden und mehr Informationen

UV-Strahlung und Krebsrisiko
Umfangreiche Informationen über den Schutz vor UV-Strahlung finden Sie auch beim  Deutschen Krebsforschungszentrum

Rechtliche Regeln für Sonnenschutzmittel
Wie sicher sind Schutzmittel, welche Bedeutung haben UVA-Siegel und Angaben zum LSF? Diese und weitere Informationen bietet das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, ebenso konkrete Tipps zum Sonnenschutz

Sonnenspaß für Kinder
Umfangreiche Informationen über Sonnenschutz bei Kindern gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Heiße Zeiten in Wiesbaden
Wie lassen sich Gesundheitsrisiken und Hitzestress vermeiden? Antworten gibt das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Wiesbaden 

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