top of page

Artikel

Krankenhausreform - einfach erklärt

Spezialisierung für bessere Behandlungsqualität

ca. 6 Minuten

*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.

Image by Stephen Andrews
Am 22. November 2024 passierte die Krankenhausreform den Bundesrat. Die Reform ist in aller Munde, doch was passiert im Detail und – vor allem – welche Auswirkungen hat sie auf die Patienten? Prof. Dr. Kolb erläutert Ihnen die Krankenhausreform.

„Nicht mehr alle Krankenhäuser sollen alle Leistungen anbieten können.“

Es  sind sich alle Beteiligten einig: Es muss sich etwas ändern!  Deutschland hat eines des weltweit teuersten Gesundheitssysteme, doch  gehört es nicht zu den effizientesten. Allein in der Gesetzlichen Krankenversicherung werden derzeit über 300 Mrd. Euro pro Jahr  ausgegeben. Das sind ca. 580.000 Euro in jeder Minute des Jahres. Trotzdem müssen Patienten auf Facharzttermine warten, können Operationen  nicht stattfinden und droht in manchen Regionen Deutschlands  Unterversorgung.

Im Kern dreht sich der Entwurf um den Umbau der Klinik-Landschaft, die unter 6 Aspekten modifiziert werden soll.

1. Bildung von Leistungsgruppen

Eine  Botschaft, die schon seit langem im Krankenhausbereich diskutiert wird  und insbesondere die Planungsbehörden der Bundesländer vor große  Herausforderungen stellt: „Nicht mehr alle Krankenhäuser sollen alle  Leistungen anbieten können.“

Die  Krankenhäuser sollen sich je nach Ausstattung und Erfahrung der  Mitarbeiter spezialisieren. Hierzu werden sie in verschiedene Stufen  eingeteilt, sogenannte Versorgungslevel. Anhand definierter  Qualitätskriterien soll die Zuordnung zu diesen Leistungsgruppen  erfolgen. Nur wenn diese erfüllt werden, kann ein Krankenhaus überhaupt  einer entsprechenden Leistungsgruppe zugewiesen werden.

Für  die Patienten bedeutet dies eine bessere Qualität der  Leistungserbringung. Eine Konzentration der Behandlungskapazitäten und  eine hiermit verbundene Bündelung der Leistungsfähigkeit ist gut für die  Patienten, denn wer etwas häufiger tut, der tut es sicher auch mit mehr  Übung und Sicherheit. Fragt man die Patienten, so stimmen sie der  Einschätzung zu, dass niemand in einem Krankenhaus behandelt werden  möchte, das hochqualifizierte Leistungen lediglich 1- bis 2-mal im Jahr  erbringt.

Die  Kehrseite der Medaille: Genau dieser Prozess kann u.U. weitere Wege für  die Patienten bis zum nächsten Krankenhaus bedeuten. Die Sorgen der  Patienten, in bestimmten Regionen der Bundesrepublik nicht mehr  stationär versorgt zu werden, weil genau das Krankenhaus in der  Nachbarschaft schließt, sind also grundsätzlich nachvollziehbar. Aber  die Reform versucht dieser Gefahr entgegenzuwirken, in dem sie u.a. die  Möglichkeiten zur ambulanten Behandlung stärkt und ergänzende ambulante  Versorgungsformen ermöglicht. Der häufig in der Presse besprochene Fall  einer Schließung des Krankenhauses bedeutet dann nicht, dass die Bürger  überhaupt keine Versorgung mehr vor Ort erhalten, sondern dass die  bisherige vollstationäre Versorgung vielmehr durch sachgerechte  ambulante Angebote ersetzt und ergänzt wird. Dies soll insbesondere in  Notfällen durch das Angebot einer soliden Grundversorgung sichergestellt  werden. Darüber hinaus herrscht gerade im Krankenhausbereich seit  vielen Jahren ein hoher Personalmangel, der u.a. in der bisher breit  gefächerten Leistungsstruktur der Krankenhäuser begründet ist.  Konzentrieren sich die einzelnen Krankenhäuser auf bestimmte  Behandlungen, kann vorhandenes Personal zielgerichteter eingesetzt  werden.

2. Festlegung der Erreichbarkeit

Ergänzend  zur Einteilung der Krankenhäuser in sog. Versorgungslevel soll die  Erreichbarkeit der stationären Versorgung in Form von zeitlichen  Vorgaben festgelegt werden. Hierzu werden den Leistungsgruppen der  Allgemeinen Inneren Medizin und der Allgemeinen Chirurgie Fahrzeiten für  die Erreichbarkeit mit dem PKW in Höhe von maximal 30 Minuten  zugeordnet. Für die anderen Leistungsgruppen (also Fachgebiete) soll  diese Zeit maximal 40 Minuten betragen. Auch auf die Anzahl der  Einwohner einer Region soll Rücksicht genommen werden, um die  flächendeckende Erreichbarkeit nicht zu gefährden.

Für  die Patienten kann dies je nach Wohnort dann sogar eine Verbesserung  der Erreichbarkeit durch definierte zeitliche Vorgaben bedeuten.

3. Umgestaltung der Vergütungsstruktur im Krankenhaus

Ein  weiterer Punkt der Reform ist die Umgestaltung der  Krankenhausvergütung. Im bisherigen System der Fallpauschalen (engl.  DRG) besteht für das einzelne Krankenhaus ein Anreiz zur  Leistungserbringung und -ausweitung, da zur Refinanzierung der Personal-  und Sachkosten eine bestimmte Anzahl an Leistungen erbracht werden  muss. In der Reform ist daher eine Veränderung des bisherigen  Vergütungssystems vorgesehen. Es soll um den Aspekt der  Vorhaltefinanzierung ergänzt werden. Lediglich 40% der  Krankenhausvergütung soll hiernach im Sinne des bisherigen Systems  erstattet und weitere 60% als sog. Vorhaltepauschalen (ohne  Leistungsbezug) gezahlt werden. Vorhalteleistungen haben wir  beispielsweise auch bei der Feuerwehr. Sie wird finanziert, auch wenn  kein Brandeinsatz erfolgt.

Für  die Krankenhäuser heißt das: Die Vorhaltung der Strukturen wird zu  einem großen Teil unabhängig von der Leistungserbringung finanziert und  der vorgenannte Anreiz die Fallmengen auszuweiten gesenkt.

Für  die Patienten bedeutet dies Sicherheit in der Versorgung, da Leistungen  nicht mehr primär anhand von Deckungsbeiträgen geplant werden müssen.

4. Abbau von Bürokratie

Eine  große Belastung des gesamten Gesundheitswesens entsteht durch  überbordende Bürokratie. Nicht selten verbringen Ärzte einen großen Teil  ihrer Arbeitszeit mit dem Schreiben von Arztbriefen, dem Ausfüllen von  Bescheinigungen und der Rechtfertigung ihrer Tätigkeit gegenüber dem  Medizinischen Dienst. Insbesondere dieser letzte Punkt soll durch die  Einführung strukturierter Stichprobenprüfungen verbessert werden. Eine  Reduktion des Aufwands soll dazu führen, dass sich die Ärzte stärker um  Patienteninteressen kümmern können.

5. Finanzierung der Reform

Die  geplante Umgestaltung des Krankenhaussektors ist nicht allein  inhaltlich, sondern auch finanziell anspruchsvoll. Wie bei jedem  Transformationsprozess bedarf es hier zusätzlicher finanzieller Mittel.  Im aktuellen Entwurf ist eine hälftige Teilung der Kosten in Höhe von 50  Mrd. Euro durch den Bund und die Bundesländer vorgesehen. Während die  Bundesländer ihren Anteil in Höhe von 25 Mrd. Euro aufbringen müssen,  beabsichtigt der Bund Mittel aus dem Gesundheitsfonds der Krankenkassen  zu entnehmen. Dies bedeutet: Diese Mittel stehen den Krankenkassen dann  nicht mehr für die Patientenversorgung zur Verfügung.

Für  die Patienten bedeutet das: Zur Deckung der entstehenden  Finanzierungslücke ist damit zu rechnen, dass die Krankenkassen ihre  Einnahmenverluste in Form von Beitragserhöhungen kompensieren werden.

6. Auswirkungen auf den ambulanten Sektor

Auch  wenn die Reform mit dem Begriff Krankenhausreform überschrieben ist,  berührt sie den ambulanten Sektor der Vertragsärzte; hierbei  insbesondere die Hausärzte. Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten,  in struktur- und/oder bevölkerungsschwachen Regionen bestimmten  (stationären) Einrichtungen die medizinische Grundversorgung zu  ermöglichen, also an der ambulanten Versorgung mitzuwirken. Eine solche  sektorenübergreifende und integrierte Gesundheitsversorgung sieht das  Sozialgesetzbuch eigentlich schon seit dem Jahr 2000 vor. Bisheriger  Streitpunkt zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor war stets  das zu verteilende Budget. Im aktuellen Entwurf wurde dieser  Diskussionspunkt jedoch modifiziert. Falls Krankenhäuser in die  ambulante vertragsärztliche Versorgung eingebunden werden, wird dies aus  dem Budget der Krankenhäuser finanziert.

Fraglich  ist, wie diese Mittel aufgebracht werden. Sollten Gelder der  Gesetzlichen Krankenversicherung genutzt werden, könnte dies für die  Patienten ebenfalls einen Anstieg der Krankenversicherungsbeiträge nach  sich ziehen.

interviewpartner-mymedAQ-Reinhard Claus.jpg

Foto: Hochschule RheinMain

Prof. Dr. Thomas Kolb ist Professor für Gesundheitsmanagement und Rechnungswesen an der Hochschule RheinMain.

interviewpartner-Dr-Susanne-Springborn_e

Platzhalter

Weitere Informationen

Ein Q&A zur Krankenhausreform finden sie auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit.

bottom of page