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Q&A

Digitale Gesundheitsanwendungen

Was sind digitale Pflegeanwendungen?

ca. 6 Minuten

*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.

Image by Stephen Andrews
Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) schreibt fest, dass gesetzlich Versicherte einen Leistungsanspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) haben. Wir sprachen mit Vivienne Mekhzoum (Foto) vom Kompetenzzentrum für Telemedizin und E-Health Hessen (KTE Hessen ) über Möglichkeiten und Grenzen, Vorteile und Vorurteile von DiGAs.

„DiGAs sollen Medikamente nicht ersetzten, sondern ergänzen”

Gesundheitskompass für Wiesbaden: Besser  schlafen, gesünder essen, fitter werden, seit Jahren sind  Lifestyle-Gesundheits-Apps auf dem Markt. Was unterscheidet sie von  einer DiGA-App?
Vivienne Mekhzoum: Eine digitale Gesundheitsanwendung ist vom Bundesinstitut für  Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft. Dabei muss eindeutig  erkennbar sein, dass sie der Erkennung, Überwachung, Behandlung oder  Linderung von Krankheiten dient und eindeutige positive  Versorgungseffekte hat. Außerdem muss eine DiGA von Patient*in und  Behandler*in gemeinsam genutzt werden können, etwa, um die Wirksamkeit  einer Therapie zu kontrollieren und sie gemeinsam anpassen zu können.
GfW: Der Zulassungsprozess für Arzneien dauert in der Regel Jahre, wie lange dauert er bei einer DiGA?
V.M.: Für sie wurde ein sogenanntes Fast Track Verfahren entwickelt,  damit die Apps schnell in die Regelversorgung kommen. Das bedeutet, dass  das BfArM das Bewertungsverfahren innerhalb von drei Monaten  durchgeführt haben muss.
GfW: DiGAs sind zertifizierte Medizinprodukte. Welcher Risikoklasse gehören sie an?
V.M.: Grundsätzlich sind sie unter einer geringen Risikoklasse eingestuft.  Patient*innen können sie sowohl verschrieben bekommen, als auch selbst  kaufen. In diesem Fall erstattet die Krankenkasse die Kosten, wenn eine  entsprechende Diagnose vorliegt.
GfW: Ärztinnen, Zahnärztinnen, Heilpraktikerinnen, wer darf eine DiGA verschreiben?
V.M.: Ärzt*innen aller Fachrichtungen und Psychotherapeuten*innen können  DiGAs verschreiben, die im DiGA-Verzeichnis des BfArM für gelistet sind.
GfW: Welche internetfähigen Geräte braucht man für eine DiGA?

V.M.: DiGAs  gibt es sowohl als App für Smartphones und Tablets als auch als  Browseranwendung für Desktop-Rechner. Teile der Anwendung funktionieren  in der Regel auch offline, und natürlich gelten für beide Technologien  die gleichen Qualitäts- und Sicherheitsbedingungen.
GfW: Bei Sicherheitsbedingungen meinen Sie Datensicherheit?
V.M.: Ja, neben der medizinischen Sicherheit, müssen Hersteller die  Datensicherheit und natürlich auch den Datenschutz nachweisen, gemäß  einer Vielzahl von geltenden Gesetzen, Verordnungen und Leitlinien.
GfW: Mehr  als 30 DiGAs sind bisher auf dem Markt (Stand April 2022). Gegen welche  Beschwerden werden die Anwendungen überwiegend eingesetzt?
V.M.: Derzeit ist sicherlich die Psychotherapie ein Schwerpunkt, also  digitale Anwendungen, die bei Angstzuständen, Depressionen,  Erschöpfungszuständen und anderen seelischen und psychosomatischen  Beschwerden helfen. Auch DiGAs für Patienten mit Krebs und mit  orthopädischen Beschwerden spielen bereits wichtige Rollen. 
GfW: Was sind die Grenzen einer DiGA?
V.M.: Das  Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin und Patientin ist sicherlich nicht  durch digitale Angebote zu ersetzen. Persönliche Behandlungen werden  weiterhin Hauptrollen spielen. DiGAs sind als Ergänzungen gedacht, die  Ärzte, Patienten und das Gesundheitssystem entlasten.
GfW: Auf welche Weise entlastet eine DiGA das Gesundheitssystem?
V.M.: Arzttermine, insbesondere bei Fachärzten, liegen oftmals weit  auseinander. Eine DiGA ermöglicht zusätzliche Kommunikation und dazu ein  lückenloseres Überwachen einer Therapie. Außerdem erleichtern DiGAs die  Dokumentation der Arztbesuche. Dadurch können zum Beispiel unnötige  oder sogar bedenkliche Doppelbehandlungen vermieden werden.
​​​​​​​GfW: Letzteres ist auch ein Vorteil der ePA, der elektronischen Patientenakte. Sind ePAs und DiGAs miteinander vernetzbar?
V.M.: Derzeit  noch nicht. Der Datenexport in die ePA soll bis April 2023 umgesetzt  werden. Hierbei wird darauf Wert gelegt, dass Patient*innen den Prozess  der Datenübermittlung zwischen ePA und DiGA selbst kontrollieren.
GfW: Familienmitglieder mit Zugang zum Gerät mit der DiGA-Anwendung können sie theoretisch mitnutzen. Birgt das Gefahren?
​​​​​​​V.M.: Es ist wie mit herkömmlichen Medikamenten. DiGAs sind nur für  Patientinnen und Patienten gedacht. Es ist davon auszugehen, dass DiGAs  genauso verantwortlich aufbewahrt werden, etwa auf einem  passwortgesicherten Gerät, um zum Beispiel nicht in die Hände von  Kindern zu geraten.
GfW: Gibt es DiGAs speziell für Kinder?
VM: Bislang nicht. Ob eine DiGA auch für Kinder geeignet ist, entscheiden Ärzt*innen oder Therapeut*innen.
​​​​​​​GfW: Einen gesetzlichen Anspruch auf DiGAs haben gesetzlich Versicherte seit  Spetember 2019, und die ersten DiGAs sind seit Herbst 2020 auf dem  Markt. Wie gut werden sie angenommen?
​​​​​​​VM: Für  ein derart innovatives Produkt recht gut. Bis Ende September 2021 sind  in Deutschland 24 000 Zugangscodes vergeben worden, 29 Prozent dieser  Anwendungen für Behandlungen aus dem Gebiet der Psychotherapie. Andere  Zahlen besagen, dass jeder vierte Arzt vorhat, DiGAs zu verschreiben.
​​​​​​​GfW: Neben DiGAs, spielen auch DiPAs zunehmend wichtige Rollen, digitale Pflegeanwendungen. Ist jede DiPA auch eine DiGA?
VM: Nein,  aber eine DiPA kann auch eine DiGA sein. Der Normalfall ist jedoch,  dass digitale Pflegeanwendungen nicht, wie digitale  Gesundheitsanwendungen, von Ärztinnen und Ärzten verschrieben und von  Krankenkassen bezahlt werden. Die Kosten für eine DiPA übernehmen  vielmehr die Pflegekassen, wenn man einen Pflegegrad hat.
GfW: Was sagen Sie Menschen, die skeptisch auf DiGAs reagieren?
VM: Zum  einen würde ich auf das Prüf- und Bewertungsverfahren des BfArM  verweisen, das die medizinische und technische Sicherheit gewährt. Zum  anderen steht es jeder und jedem offen, digitale Gesundheitsanwendungen  zu nutzen. Sie sind zusätzliche Angebote und nicht dazu gedacht,  herkömmliche Therapien oder persönliche Gespräche zu ersetzen. Ich würde  Skeptikern vorschlagen, DiGAs auszuprobieren und sie nicht vorschnell  abzulehnen.
​​​​​​​GfW: Frau Mekhzoum, vielen Dank für das Gespräch!

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Foto: privat

Vivienne Mekhzoum ist Master der Medizinischen Informatik und Projektmitarbeiterin beim KTE HEssen. Kooperationspartner sind die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) und die Justus-Liebig-Universität (JLU) in Gießen. Gefördert wird KTE Hessen von der Hessischen Staatskanzlei, dem Bereich der Hessischen Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung.

interviewpartner-Dr-Susanne-Springborn_e

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​​​​​Adressen & weitere Informationen

Ein Verzeichnis aller geprüften DiGAs und Informationen zu gesetzlichen Grundlagen und zum Zulassungsverfahren finden Sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
​​​​​​Die Hessische Staatskanzlei erklärt mit einem ausführlichen PDF  zur Online-Veranstaltung vom Dezember 2021, wie Patient*innen DiGAs nutzen können.​​​​​​​
Die staatliche, vom Bundesministerium für Gesundheit initiierte Plattform ​​​​​​​gesund.bund beantwortet einfach verständlich Fragen zur DiGA.
​​​​​​​Das Kompetenzzentrum für Telemedizin und E-Health Hessen bietet, neben Informationen für Patient*innnen, auch Schulungen für Ärzt*innen.
​​​​Das Bundesgesundheitsministerium informiert über gesetzliche Grundlagen, Anwendungsgebiete, Technologien und die wichtige Rolle der digitalen Angebote.

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