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Interview

Sonnenschutz

Wichtig und notwendig

ca. 8 Minuten

*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.

Image by Myriam Zilles
„Liebe,  liebe Sonne“, so huldigt ein Kinderlied unserem Lebenselixier, das  glücklich macht. Doch auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Frau  Professorin Christiane Bayerl erklärt, wie sich die Belastung durch  UV-Strahlung und das Krebsrisiko in heißen Zeiten minimieren lassen –  und welche Rollen unter anderem Möhren, Hüte und der  Clownschminke-Effekt dabei spielen.

„Gegen einen Spaziergang, gut geschützt und nicht in praller Mittagssonne, ist nichts einzuwenden“

Gesundheitskompass für Wiesbaden: Viele der Generation 50 plus haben den Eindruck, dass die Sonne Jahr für Jahr aggressiver wird. Lässt sich das belegen?
Prof. Dr. Christiane Bayerl: Fakt  ist, dass unsere Mobilität größer geworden ist und damit auch die Zeit,  die wir in Regionen mit höherer UV-Strahlung verbringen, etwa in  Äquatornähe, im Hochgebirge oder am Wasser, das UV-Strahlen reflektiert.

Gesundheitskompass: Also in unseren Breiten hat sich an der Intensität der Strahlung nichts geändert?
Prof. Bayerl: Wenig.  Doch die negativen Effekte der UV-Strahlung summieren sich über die  Lebensjahre. Wir verbringen eben gerne Zeit in der Sonne, beim Tennis,  Golf, Cabriofahren, bei Fahrradtouren und auf Fernreisen. Mit 50 plus  haben sich einige Sonnenstunden angesammelt und am Ende des  Berufslebens, mit mehr Freizeit, kommen bei vielen einige weitere dazu.

Gesundheitskompass: In den 1960ern bis weit in die 1980er war Sonnenschutz die Ausnahme. Im  Gegenteil, man verwendete beim Sonnenbaden Bräunungsöl und  reflektierende Folien. Hat das zu einem signifikanten Anstieg von  Hautkrebs geführt?
Prof. Bayerl: Ja, aktuelle Zahlen der Deutschen Krebshilfe belegen das. Rund 275 000  Menschen erkranken jährlich neu an Hautkrebs. Und Erwachsene, die in der  Kindheit und Jugend häufig Sonnenbrände hatten, haben ein erhöhtes  Risiko, ein Melanom zu entwickeln.

Gesundheitskompass: Der häufigste Tumor ist das Basiliom, eine Form des sogenannten weißen Hautkrebses. Ist daran auch die Sonne Schuld?
Prof. Bayerl: Ja, wenn auch nicht allein, die genetische Disposition spielt auch eine  Rolle. Doch das Basiliom tritt typischerweise an UV-exponierten  Hautstellen auf, den sogenannten Sonnenterassen.

Gesundheitskompass: Nicht wenige cremen sich und ihre Kinder das ganze Jahr über ein, auch bei bewölktem Himmel. Kann Übervorsicht schädlich sein?

Prof. Bayerl: Es  ist kein Fehler, exponierte Haut zu schützen, und es ist ein Irrtum zu  glauben, dass Sonnenschutz nur bei wolkenlosem Himmel notwendig ist. In  Räumen und während der dunklen Winterzeit kann man jedoch in unseren  Breiten darauf verzichten.

Gesundheitskompass: Was sollten Eltern bei der Auswahl der Cremes beachten?
Prof. Bayerl: Für  Kinder wird gern auf chemisch wirksame Stoffe verzichtet und  Sonnenschutz mit physikalischem Lichtschutz eingesetzt. Der weißelt zwar  etwas, weil die Partikel, die vor der UV-Strahlung schützen, in die  Hautfältchen rutschen. Aber Kindern ist dieser Clown-Schminke-Effekt  üblicherweise egal.

Gesundheitskompass: Sind diese physikalischen oder chemische Inhaltsstoffe wirksamer?
Prof. Bayerl: Das kann man so nicht sagen, allerdings gilt, je mehr Inhaltsstoffe,  desto besser der UV-Schutz. Man sollte Mittel nach Hauttyp auswählen,  also bei trockener Haut eine Creme, bei fettiger Haut ein Gel oder  Spray.

Gesundheitskompass: Gibt es Mittel, die von Allergikern besonders gut vertragen werden?
Prof. Bayerl: Die  physikalischen Lichtschutzpräparate werden etwas besser vertragen, sind  aber wegen des Weißelns bei Erwachsenen eher unbeliebt.

Gesundheitskompass: Viele Mittel brennen in den Augen, kann man die Region einfach aussparen?
Prof. Bayerl: Nein,  auf keinen Fall! Für die empfindlichen Partien eignen sich Sticks, die  auch für die Lippen verwendet werden. Die Paste haftet besser als eine  Creme oder Lotion und läuft beim Schwitzen nicht in die Augen.

Gesundheitskompass: Sind Bio-Produkte die bessere Wahl?
Prof. Bayerl: Nein,  nicht generell. Gute Präparate erkennt man an einem schwarzen Kreis auf  der Verpackung, der den Hinweis „UVA“ enthält. Das Symbol bedeutet,  dass das Mittel nicht nur gegen Sonnenbrand, sondern auch gegen  Hautalterung und Faltenbildung schützt.

Gesundheitskompass: Gilt beim Sonnenschutz, viel hilft viel, also je höher der Schutzfaktor, desto besser?
Prof. Bayerl: Im  Grunde ja. Man macht sicher nichts verkehrt, wenn man generell Mittel  mit einem hohen Schutzfaktor auswählt und es großzügig aufträgt.  Übrigens hat dunkle Haut zwar einen etwas besseren Eigenschutz, aber  alle Menschen können einen Sonnenbrand bekommen.

Gesundheitskompass: Der Lichtschutzfaktor gibt an, wie viel mal länger man sich der Sonne  aussetzen kann, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Ist dem angegeben  Wert immer zu trauen?
Prof. Bayerl: Nein. 50 zum Beispiel bedeutet nicht, dass wir 50 mal  länger als ohne das Mittel in der Sonne bleiben können. Es ist nur ein  theoretischer Wert. In der Praxis, bei einer üblichen Menge, die wir  auftragen, fällt er wesentlich geringer aus.

Gesundheitskompass: Um wieviel geringer?
Prof. Bayerl: Studien  zeigen, dass der Lichtschutzfaktor 50 auf sieben sinken kann, wenn wir  uns mit normalen Mengen eincremen. Die Dauer des Aufenthalts sollte  darum vorsichtshalber den Wert des angegebenen Lichtschutzfaktors  deutlich unterschreiten.

Gesundheitskompass: Wenn die Sommersonne am höchsten steht, verlängert sich der Zeitraum, in dem wir geschützt sind, am wenigsten, richtig?
Prof. Bayerl: Das  stimmt. Ich rate, die Mittagssonne im Sommer vorsichtshalber zu meiden,  vor allem in südlichen Regionen. Das machen die Einheimischen vor, die  Siesta halten.

Gesundheitskompass: Schützen neu gekaufte Mittel besser als Reste vom Vorjahr?
Prof. Bayerl: Der  Schutz verringert sich nach dem vom Hersteller aufgedruckten  Ablaufdatum. Zudem verändern sich Konsistenz, Farbe und mitunter auch  der Geruch. Spätestens dann gehören Mittel in den Müll.

Gesundheitskompass: Wie gut schützen Badeanzüge, Hüte, Hemden und andere Textilien?
Prof. Bayerl: Weniger gut als viele denken. Nasse Baumwolle lässt  immerhin 30 Prozent der UV-B-Strahlung durchdringen, trockene etwas  weniger. Es gilt, je dichter gewirkt und je dunkler, umso besser.  Textilien mit einem entspechenden Siegel haben einen zuverlässigen  Lichtschutzfaktor.

Gesundheitskompass:  Mit einem Hemd mit angegebenem LSF 50 kann man also, anders als mit  einer Creme mit LSF 50, tatsächlich 50mal länger in der Sonne bleiben?

Prof. Bayerl: Ja, davon ist auszugehen. Vorsichtshalber sollte man auch bei Textilien  den Wert nicht ausreizen. Und die nicht vom Textil bedeckten  Hautstellen müssen natürlich zusätzlich mit Sonnenschutzpräparaten  geschützt werden.

Gesundheitskompass: Welchen Schutzfaktor hat Schatten?
Prof. Bayerl: Das lässt sich nicht pauschal angeben. Aber auch unter  einem Baum oder Schirm oder hinter einer Mauer erreicht uns  UV-Strahlung. Wir bräunen und brauchen UV-Schutz.

Gesundheitskompass: Sollte man auch die Augen schützen?
Prof. Bayerl: Ja, unbedingt. Sonnenschutzgläser mit Siegel gehören zum Sonnenschutz, auch schon bei kleinen Kindern.

Gesundheitskompass: Wieviel  Sonne ist gesund?
Prof. Bayerl: So wenig wie möglich. Wer Sorge hat, zu wenig Vitamin D zu produzieren,  kann den Wert vom Arzt überprüfen lassen und gegebenenfalls  entsprechende Präparate einnehmen. Sonnenschutzmittel verhindern  übrigens nicht die körpereigene Produktion von Vitamin D.

Gesundheitskompass: Und wie sieht es mit künstlicher Sonne aus, also mit Solarien, sollte man sie auch meiden?
Prof. Bayerl: Ja, auch künstliche UV-Strahlung erhöht das Krebsrisiko, dazu fördert  sie die Hautalterung. Künstliche und natürliche UV-Strahlung zählen laut  WHO zur höchsten Kategorie krebsauslösender Faktoren. Damit stehen sie  auf einer Stufe mit Tabak und Asbest. Allerdings macht die Dosis das  Gift. UV-Strahlung wird auch therapeutisch eingesetzt.

Gesundheitskompass: Am Strand, auf dem Balkon, im Park, jeder hat erfahren, dass  Sonnenschein zweifellos auch eine positive Wirkung hat. Er hellt zum  Beispiel die Stimmung auf.
Prof. Bayerl: Ja,  gegen einen Spaziergang unter blauem Himmel, gut geschützt und nicht in  praller Mittagssonne, ist nichts einzuwenden. Und richtig ist auch,  dass therapeutisch eingesetzte UV-Strahlung segensreich bei Depressionen  sein und positive Effekte bei Hauterkrankungen haben kann. Juckreiz und  Hautentzündungen lassen sich mindern oder verschwinden. Diese  Bestrahlungen geschehen jedoch unter ärztlicher Aufsicht, und die Geräte  filtern schädigende Wellenlängen aus.

Gesundheitskompass: Das machen Solarien nicht?
Prof. Bayerl: Nicht unbedingt. Außerdem wird bei Solarien nicht, wie bei  medizinischen Therapien, die Strahlung dokumentiert, die sich  aufaddiert. Letztlich schadet uns die Summe der UV-Bestrahlung. Ich  begrüße darum das Verbot von Sonnenstudios für Menschen unter 18 Jahren.

Gesundheitskompass: Gibt es Nahrungsmittel, die vor Sonne schützen?
Prof. Bayerl: Ja. Carotinhaltiges Gemüse wie Karotten und Paprika, das Lycopen in  Tomaten und sogenannte „Radikalfänger“ aus Obst und Gemüse unterstützen  den hauteigenen Schutzmechanismus, ebenso Beeren, Trauben, schwarzer,  grüner und weißer Tee, die Antioxidantien und Polyphenole enthalten.

Gesundheitskompass: Kann Ernährung Sonnencreme ersetzen?
Prof. Bayerl:  Nein, sie kann lediglich den hauteigenen Sonnenschutz erhöhen, immerhin  etwa um den Lichtschutzfaktor zwei bis vier. Doch allgemein wird der  Effekt des Sonnenschutzes über Ernährung überschätzt.

Gesundheitskompass: Was tun bei einem Sonnenbrand?
Prof. Bayerl: Keinen bekommen! Falls doch, die Haut kühlen. Erwachsene,  die keine Unverträglichkeit haben, können innerhalb der ersten sechs  Stunden hochdosiert entzündungshemmende Medikamente aus der Apotheke  einnehmen, zum Beispiel zweimal 500 mg Aspirin.

Gesundheitskompass: Genügt bereits ein Sonnenbrand, um das Krebsrisiko zu erhöhen?
Prof. Bayerl: Nein,  wir haben zum Glück Reparaturenzyme in jeder Zelle. Aber jede  wiederholte UV-Bestrahlung fordert die Reparaturkapazität der Haut  heraus, sogar dann, wenn die sogenannten Erythemschwelle nicht erreicht  wird, also die Haut sich noch nicht gerötet hat.

Gesundheitskompass: Sehr geehrte Frau Professorin Bayerl, vielen Dank für das Gespräch!

Prof.-Dr.-Alex-Veldman

Foto: Helios HSK

Prof. Dr.  med. Christiane Bayerl ist Hautärztin und Direktorin der Klinik für  Dermatologie und Allergologie und Leiterin des Hauttumorzentrums an den  Helios HSK Wiesbaden. Ihre Forschungs- und Interessenschwerpunkte sind  die positiven Effekte der UV-Strahlung auf die Psyche und die  antientzündliche Wirkung bei Hauterkrankungen wie Neurodermitis,  Psoriasis, Lichen ruber und dem kutanen T-Zell-Lymphom sowie die  negativen Effekte bei der Tumorentstehung und Hautalterung.

PD-Dr.-Doris-Fischer

Um das aktuelle UV-Risiko der Sonne an einem bestimmten Ort  abzuschätzen, hilft der sogenannte UV-Index. Er gibt an, wie stark die  Sonne gerade scheint – und damit, wie viel Sonnenschutz nötig ist. Der  UV-Index ist international einheitlich festgelegt.

Adressen & Informationen

UV-Index erfahren
Der Wert zeigt auf einer Skala von 1 bis 11 tagesaktuell die höchst  mögliche Bestahlungsstärke an. Am höchsten ist sie zwischen 11.00 und  15.00 Uhr. Mehr Informationen und Werte für Ihre Region bietet das  Bundesamt für Strahlenschutz 

UV-Warnungen erhalten
Auf aktuelle kritische Werte für die gewünschte Region weist der Newsletter des Deutschen Wetterdiensts hin. Anmelden und mehr Informationen 

UV-Strahlung und Krebsrisiko
Umfangreiche Informationen über den Schutz vor UV-Strahlung finden Sie auch beim  Deutschen Krebsforschungszentrum

Rechtliche Regeln für Sonnenschutzmittel
Wie sicher sind Schutzmittel, welche Bedeutung haben UVA-Siegel und Angaben zum LSF? Diese und weitere Informationen bietet das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, ebenso konkrete Tipps zum Sonnenschutz

Sonnenspaß für Kinder
Umfangreiche Informationen über Sonnenschutz bei Kindern gibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Heiße Zeiten in Wiesbaden
Wie lassen sich Gesundheitsrisiken und Hitzestress vermeiden? Antworten gibt das Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Wiesbaden


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