Interview
Schlaganfall
Warum Zeit Hirn ist
Eine Kopfschmerzattacke, ein ungewohnt schiefes Lächeln, plötzliche Orientierungslosigkeit: Zahlreiche Symptome können auf einen Schlaganfall hindeuten, auch bei Kindern. Professorin Stephanie Tritt erklärt, wie man ihm vorbeugt, ihn erkennt, im Ernstfall richtig reagiert – und welche entscheidenden Rollen überregionale zertifizierte Stroke Units und Schlaganfalllotsen* spielen. Plus: Anlaufstellen für Betroffene.
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*Aus Gründen der Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form, meinen jedoch Menschen aller Geschlechter.
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„Ein gesunder Lebensstil kann das persönliche Schlaganfallrisiko deutlich senken“
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Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Stephanie Tritt ist stellvertretende Ärztliche Direktorin der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) und Direktorin des Instituts für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie an den HSK. Die Helios HSK Wiesbaden verfügt über eine zertifizierte überregionale Schlaganfall-Spezialstation (Stroke Unit) und ist damit eine zentrale Anlaufstelle bei einem Verdacht auf Schlaganfall. Und als eine der ersten Kliniken in Deutschland stellen die HSK Patienten während der Zeit der Nachsorge nach dem Klinikaufenthalt ausgebildete Schlaganfall-Lotsen zur Seite. Weitere Informationen zur Person und zur Schlaganfallinitiative Wiesbaden/ Rheingau-Taunus, deren Vorsitzende Professorin Tritt ist.
Gesundheitskompass für Wiesbaden: Rund 270 000 Menschen erleiden in Deutschland pro Jahr einen Schlaganfall, etwa 1200 pro Jahr werden in den HSK Wiesbaden behandelt. Was löst ihn aus?
Professorin Dr. Dr. med halbil. Stephanie Tritt: Die meisten Schlaganfälle entstehen durch verstopfte oder verengte Blutgefäße des Gehirns. Dadurch wird es nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Man spricht in dem Fall von einem Hirninfarkt oder ischämischen Schlaganfall. Deutlich seltener sind Schlaganfälle, die durch eine Blutung ausgelöst werden, weil ein Gefäß im Gehirn platzt, etwa aufgrund eines Aneurysmas, also einer Aussackung im Blutgefäß. Man spricht dann von einem hämorrhagischen Schlaganfall.
Gesundheitskompass: Was geschieht, wenn die Durchblutung im Gehirn beeinträchtigt ist?
Prof. Tritt: Gehirnzellen werden nicht länger mit Sauerstoff versorgt und sterben ab. Hält dieser Zustand an, können Körperfunktionen verloren gehen. Abhängig vom betroffenen Areal im Gehirn können zum Beispiel Lähmungen, Sprachstörungen, Schwindel und andere Symptome auftreten. Je länger der Sauerstoffmangel besteht, desto größer ist tendenziell das Ausmaß der Zellschäden im Gehirn und desto gravierender sind die potenziell bleibenden Auswirkungen. Es zählt also jede Sekunde. Die schnellstmögliche Wiederherstellung des regulären Blutflusses und der Sauerstoffversorgung des Gehirns ist entscheidend für den Behandlungserfolg.
Gesundheitskompass: Die Helios HSK haben eine überregionale Stroke Unit. Welche Vorteile hat dieses, frei übersetzt, überregionale Schlaganfall-Team für Betroffene?
Prof. Tritt: Eine Stroke Unit ist eine Station innerhalb des Krankenhauses, die auf die Diagnose und Behandlung akuter Schlaganfälle spezialisiert ist. Betroffene werden dort gezielt, umfassend und fachübergreifend behandelt. Vor allem die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig, denn erfolgreiche Schlaganfallbehandlung ist immer Teamarbeit zwischen Experten verschiedener Fachrichtungen.
Gesundheitskompass: Die Stroke Unit der Helios HSK ist zertfiziert. Was bedeutet das?
Prof. Tritt: Das unabhängige Zertifizierungsverfahren der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe sichert die Qualität der Behandlung nach einheitlichen Kriterien, Richtlinien und aktuellen Standards. Auch technische und personelle Ausstattung, Fachexpertise und Prozesszeiten bei der Behandlung spielen wichtige Rollen. Für Patientinnen und Patienten bedeutet die Auszeichnung mehr Sicherheit und Transparenz.
Gesundheitskompass: Sind überregional und regional im Zusammenhang mit Stroke Unit geografische Angabe?
Prof. Tritt: Bei der Unterscheidung geht es, vereinfacht gesprochen, darum, wie der Bereich aufgestellt und ausgestattet ist und wie groß das Einzugsgebiet für Behandlungen ist. Eine zertifizierte überregionale Stroke-Unit muss zusätzliche Kriterien erfüllen und bietet ein bestmögliches Versorgungslevel. Dies kommt insbesondere Patienten mit schweren und komplexen Schlaganfällen zugute.
Gesundheitskompass: Können Sie bitte näher erläutern, wie?
Prof. Tritt: Sie profitieren davon, dass neben der medikamentösen, auch die Möglichkeit einer minimalinvasiven Behandlung besteht. Diese spezialisierte sogenannte mechanische Thrombektomie wird bei uns in der Neuroradiologie von erfahrenen Experten durchgeführt. Sie öffnen verschlossene Gefäß im Gehirn mechanisch mit einem kleinen Katheter.
Gesundheitskompass: Wie kann man sich den Eingriff vorstellen?
Prof. Tritt: Stark vereinfacht gesprochen, geht der Neurointerventionalist mit einem Mikro-Katheter, meist über die Arterie in der Leiste, zu der betroffenen Stelle im Gehirngefäß. Der Eingriff wird durchleuchtet und sichtbar gemacht. Die Patienten schlafen in der Regel. Ist man mit dem Katheter am verstopften Hirngefäß angekommen, dann ist es eigentlich wie eine Rohrreinigung. Man zieht das Gerinnsel, aus dem Hirngefäß heraus und eröffnet das verstopfte Gefäß wieder.
Gesundheitskompass: Das klingt nicht gerade harmlos.
Prof. Tritt: Ein minimalinvasiver Eingriff am Gehirn ist natürlich fachlich sehr anspruchsvoll und Bedarf langjähriger neurointerventioneller Ausbildung und Erfahrung. Das Verfahren an sich ist aber vergleichsweise sicher. Komplikationen treten sehr selten auf.
Gesundheitskompass: Können Sie auch Blutungen und Aneurismen, also hämorrhagische Schlaganfälle, mit der Kathedermethode behandeln?
Prof. Tritt: Ja, in der interventionellen Neuroradiologie können auch gefäßverschließende Eingriffe minimalinvasiv durchgeführt werden, zum Beispiel ein Verschluss von Gefäßaussackungen mit Platinspiralen, ein sogenanntes Coiling. Für diese hochspezialisierten Interventionen kann man sich zusätzlich zertifizieren lassen. Wir sind am Institut ein sehr erfahrenes Team und auf komplexe neurointerventionelle Eingriffe besonders spezialisiert.
Gesundheitskompass: Studien haben gezeigt, dass sich 70 bis 80 Prozent der in überregionalen zertifizierten Stroke Units behandelten Patienten vollständig erholen. Wird ein Schlaganfall dagegen mit Medikamenten behandelt, wie in kleineren Kliniken oder Praxen üblich, liegt die Rate lediglich zwischen 20 und 30 Prozent.
Prof. Tritt: Auf dem Gebiet der Schlaganfallbehandlung wurde in den letzten Jahren erfreulicherweise viel geforscht, und es gab einige große Studien. Unstrittig ist, dass eine schnelle Behandlung in einer Schlaganfall-Spezialstation ein entscheidender Faktor für den Behandlungserfolg ist und dass die mechanische Thrombektomie der alleinigen medikamentösen Behandlung, der sogenannten Lysetherapie, bei großen Gefäßverschlüssen überlegen ist.
Gesundheitskompass: Die erste Anlaufstelle bei einem Verdacht ist also nicht der Hausarzt?
Prof. Tritt: Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall. Wie bei einem Verdacht auf Herzinfarkt auch, rate ich dazu, direkt den Notruf zu wählen, die 112, und sich vom Rettungsdienst in eine spezialisierte Klinik bringen zu lassen. So ist die schnellstmögliche Diagnose und erforderlichenfalls eine adäquate Behandlung sichergestellt. Wie bereits gesagt, Zeit ist ein entscheidender Faktor für den Behandlungserfolg.
Gesundheitskompass: Im Großraum Wiesbaden gibt es vier dieser überregionalen Stroke Units, neben Ihrer Abteilung an den HSK, an der Universitätsmedizin Mainz, im Klinikum Frankfurt Höchst und am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Bei welchen Anzeichen sollte man den Notruf wählen?
Prof. Tritt: Ein Schlaganfall kann plötzlich und unvermittelt auftreten. Typische Anzeichen sind Sehstörungen, Sprachstörungen, Lähmungserscheinungen und Taubheitsgefühle, starker Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen sowie sehr starke Kopfschmerz. Erste Anhaltspunkte gibt der sogenannte FAST-Test.
Gesundheitskompass: Können Sie den Test bitte kurz erklären?
Prof. Tritt: Die Abkürzung kommt aus dem Englischen. F steht für Face, also Gesicht, A für Arme, S für Sprache, T für Time, also Zeit. Beobachten Sie sich oder den Betroffenen nach diesen Kriterien. Ist die Mimik normal oder scheint das Lächeln plötzlich schief? Sind beide Arme uneingeschränkt beweglich und können gleichzeitig gehoben werden? Sind Sprache oder Sprachverständnis beeinträchtigt und kann die Person beispielsweise einen einfachen Satz problemlos nachsprechen? Wenn eine oder vielleicht sogar mehrere dieser Handlungen nicht möglich sind, besteht zumindest ein erster Verdacht. Dann sollte man keine Zeit verlieren, den Notruf 112 zu wählen.
Gesundheitskompass: Was, wenn Beschwerden nach wenigen Minuten völlig verschwinden?
Prof. Tritt: Auch das sollte man so schnell wie möglich in einer Stroke Unit abklären lassen. Es könnte nämlich eine TIA sein, eine sogenannte transistorische ischämische Attacke. Das ist eine vorübergehende Durchblutungsstörung im Gehirn, die einem Schlaganfall oft vorangeht. Eine TIA ist ein Warnschuss, den man auf keinen Fall überhören sollte.
Gesundheitskompass: Wie klären Mediziner ab, ob es ein Schlaganfall, eine TIA oder doch nur eine Migräneattacke ist?
Prof. Tritt: In der Radiologie oder der spezialisierten Neuroradiologie erfolgt die Diagnose mit einer Computertomografie oder einer Magnetresonanztomographie, MRT. Das dauert meist nur Minuten und gibt sofort Gewissheit, ob ein manifester Schlaganfall vorliegt. Auch kleinere betroffene Areale des Gehirns sind deutlich im MRT sichtbar. Neurologische Untersuchungen und Bluttests runden die Diagnose ab.
Gesundheitskompass: Ist eine TIA, die man hinter sich hat, auch sichtbar?
Prof. Tritt: Ja, auch eine TIA klären wir mit bildgebenden Verfahren ab. Eine TIA ist oft ein erstes Anzeichen für eine Durchblutungsstörung im Gehirn und es könnten weitere Schlaganfälle mit relevanter Beeinträchtigung folgen. Daher schauen wir auch bei jeder TIA mittels bildgebender Verfahren, ob es bereits zu einem sichtbaren Infarkt gekommen ist.
Gesundheitskompass: Wie werden TIA-Patienten behandelt?
Prof. Tritt: Bei einer TIA werden, ähnlich wie bei einem manifesten Schlaganfall, Risikofaktoren analysiert und die Behandlung entsprechend gewählt, etwa die Einstellung des Blutdrucks, die Regulierung der Blutfettwerte, Gewichtsreduktion, Diabetes mellitus-Prophylaxe oder -Behandlung.
Gesundheitskompass: Die Überlebensrate nach einem Schlaganfall liegt nach einem Jahr zwischen 73 und 85 Prozent, nach fünf Jahren bei rund 55 Prozent. Menschen unter 45 Jahren überleben ihn zu 98 Prozent. Das klingt eigentlich nach einer guten Nachricht.
Prof. Tritt: Bei der Behandlung hat sich in den letzten Jahren viel Positives getan, auch durch die Einführung spezialisierter Stroke Units und die Bildung von neurovaskulären Versorgungsnetzwerken. Was man aber nicht vergessen darf ist, dass der Schlaganfall nach wie vor zu einer der häufigsten Todesursachen in Deutschland gehört. Und Schlaganfälle sind die häufigste Ursache für bleibende Behinderungen im Erwachsenenalter.
Gesundheitskompass: Auch Kinder können einen Schlaganfall bekommen. Auf welche Anzeichen sollen Eltern achten?
Prof. Tritt: Die meisten Kinder haben Vorerkrankungen, überwiegend Herz- oder Gefäßerkrankungen. Dass gesunde Kinder einen Schlaganfall erleiden, ist sehr selten. Allerdings sollte man auch bei ihnen auf ungewöhnliche Symptome wie Seh- und Sprachstörungen, Lähmungen von Gliedmaßen, starke Kopfschmerzen, Schläfrigkeit achten und diese lieber einmal vom Neurologen oder Neuroradiologen abklären lassen.
Gesundheitskompass: Für alle Altersgruppen gilt, fünf von 100 Betroffenen erleiden innerhalb des ersten Jahres einen weiteren Schlaganfall. Auch Herzinfarkte, die ebenfalls eine Gefäßerkrankung sind, treten häufiger auf. Wie lassen sich diese Risiken verringern?
Prof. Tritt: Wie bei allen Herz- und Gefäßerkrankungen spielen, neben der medikamentösen Einstellung, veränderte Lebensgewohnheiten eine wichtige Rolle. In der ersten Zeit in der Klinik und auch noch in der Reha sind die meisten Patienten motiviert, gesünder zu essen, nicht zu rauchen, sich mehr zu bewegen, den Blutdruck zu kontollieren. Aber dann, wieder zuhause, fallen viele in alte Muster zurück. Und da kommen die Schlaganfall-Lotsen ins Spiel.
Gesundheitskompass: Die HSK sind unter den ersten Kliniken in Deutschland, die ein Lotsenprogramm anbieten. Was leisten Lotsen?
Prof. Tritt: Kurz zusammengefasst, sind Schlaganfall-Lotsen professionelle Kümmerer für Betroffene. Dabei geht es um einen ganzheitlichen Ansatz. Lotsen begleiten Menschen, die einen Schlaganfall hinter sich haben ab ihrem Klinikaufenthalt und helfen ihnen zurück ins Leben. Sie unterstützen beispielsweise bei der Koordination notwendiger Maßnahmen, wenn die Betroffenen wieder zu Hause sind, und auch dabei, das Risiko für einen erneuten Schlaganfall zu vermindern.
Gesundheitskompass: Sie sind also so eine Art Lebenscoach für Schlaganfallpatienten, der sie daran erinnert, was gut für sie ist und konkret hilft, ihre Interessen durchzusetzen?
Prof. Tritt: Ja, das könnte man so beschreiben. Sie helfen einerseits ganz pragmatisch bei der Frage, welche Mittel und Leistungen wo beantragt werden, und andererseits auch bei der Prävention und Gesundheitsförderung. Ein gesunder Lebensstil und gesundheitsfördernden Maßnahmen tragen entscheidend dazu bei, das Risiko für einen weiteren Schlaganfall zu minimieren.
Gesundheitskompass: Wie sieht die Unterstützung durch Schlaganfall-Lotsen konkret aus?
Prof. Tritt: Sie beraten und helfen per Telefon oder Internet und machen, wenn es gewünscht wird, Hausbesuche. Vorgesehen sind mindestens drei innerhalb eines Jahres. Dabei geht es auch manchmal um kleine Dinge. Beispielsweise kann schon der Satz an der Haustür helfen: ,Riecht es hier nach Rauch?’
Gesundheitskompass: Weil Patientinnen sich ertappt fühlen und darum eher bereit sind, ihre Lebensgewohnheiten überdenken?
Prof. Tritt: Genau. Wenn der Partner oder ein Familienangehöriger so etwas sagt, dann kann das leicht zu Konflikten führen. Eine neutrale dritte Person hat da oft einen besseren, konstruktiveren Einfluss. Sie kann auch helfen, Krisen im Zusammenleben zu entschärfen. Für Schlaganfallbetroffene und das engste Umfeld ist die neue Situation häufig nicht ganz einfach.
Gesundheitskompass: Inwiefern?
Prof. Tritt: Ein Schlaganfall kann das Leben von einem Moment auf den anderen total verändern! Wenn man etwa plötzlich im Alltag auf Hilfe angewiesen ist, ist es für Betroffene eine völlig neue Situation. Als Folge eines Schlaganfalls können also nicht nur körperliche, sondern auch mentale und seelische Beeinträchtigungen auftreten. Es kann passieren, dass ehemals optimistische, freundliche Menschen negativ und eigensinnig oder impulsiv werden. Und rund ein Drittel der Patienten entwickelt depressive Verstimmungen oder eine Depression. Sie fühlen sich hilflos und geben die Hoffnung auf eine Besserung auf.
Gesundheitskompass: Nach welcher Zeit muss man die Hoffnung aufgeben?
Prof. Tritt: Grundsätzlich sollte man die Hoffnung nie aufgeben. Jeder Fall ist individuell, und es gibt immer Ausnahmen. In der Regel gilt für neurologische Störungen, also Lähmungen und Sprach- oder Verständnisstörungen die Faustregel, was nach zwölf Monaten nicht da ist, kommt höchstwahrscheinlich nicht wieder. Das bedeutet aber auch, dass es sich lohnt, auch nach zehn Monaten mit Krankengymnastik und anderen Therapien weiterzumachen. Ein Lotse kann helfen, die Motivation nicht zu verlieren und dunkle Zeiten besser zu überstehen.
Gesundheitskompass: Das Lotsen-Programm ist eine initiative der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe. Sie übernimmt die Ausbildung. Es ist eine Zusatzqualifikation für Fachkräfte aus Therapie- und Pflegeberufen, die 200 Stunden dauert. Die Kassen übernehmen bisher jedoch nicht die Kosten für den Einsatz. Müssen Patienten selbst dafür aufkommen?
Prof. Tritt: Für Patienten ist die Leistung absolut kostenfrei. Natürlich ist die Finanzierung ein Knackpunkt. Bei den Helios HSK handelt es sich um einen zusätzlichen Service, der von der Klinik finanziert wird. Dies gilt für alle laufenden Kosten, wie Personal und Sachmittel, und auch für Module zur Ausbildung der Fachkräfte. Die Klinik ist in Vorleistung getreten und gehört zu den ersten Einrichtungen, die das Konzept so konsequent umsetzen. Ich halte das wirklich für ein starkes Signal.
Gesundheitskompass: Können sich Patienten für das Programm bewerben?
Prof. Tritt: Nein, die Lotsinnen entscheiden anhand eines Kriterienkatalogs gemeinsam mit dem Stroke-Unit-Team, wer für das Programm in Frage kommt. Diese Patienten erhalten ein Angebot für die Teilnahme. Wird des angenommen, finden schon in der Klink Gespräche statt und die Lotsinnen können den Patienten bereits mit Formularen und Anträgen unterstützen. In der Regel dauert die Begleitung zwölf bis 18 Monate.
Gesundheitskompass: Zeit ist Hirn, ist auf Wiesbadener Stadtbussen zu lesen. Die Werbekampagne der Schlaganfallinitiative Wiesbaden Rheingau/ Taunus ist 2021 als beste Buswerbung ausgezeichnet worden. Was bringt sie konkret?
Prof. Tritt: Mit der mobilen Informationskampagne soll in der Öffentlichkeit für das relevante Thema Schlaganfall sensibilisiert werden. Einen Schlaganfall als Notfall zu erkennen und dann in der Situation richtig zu reagieren, kann Leben retten und dazu beitragen, die Folgen des Schlaganfalls für Betroffene zu minimieren. Über die Auszeichnung als beste Buswerbung haben wir uns natürlich sehr gefreut. Sie hat dazu geführt, dass die Kampagne auch in den sozialen Netzwerken zu finden war. Man kann nicht genug Aufmerksamkeit wecken und wichtige Aufklärungsarbeit leisten. Das möchten wir natürlich auch weiterhin tun.
Gesundheitskompass: Sehr geehrte Frau Professorin Tritt, vielen Dank für das Gespräch!
Adressen & Informationen
Schlaganfallinitiative Wiesbaden Rheingau/Taunus
Aufklärung und Information, auch für Vereine und Betriebe stehen im Fokus. Spenden und Mitgliedsbeiträge ermöglichen, medizinischen Geräte und Therapiematerialien zu finanzieren und Studien und Fortbildungsveranstaltungen zu unterstützen. Weitere informationen
Selbsthilfegruppe Schlaganfall/Bluthochdruck Wiesbaden
Einmal pro Monat treffen sich Betroffene und Angehörige im Gesundheitsamt Wiesbaden, um Erfahrungen auszutauschen. Kontakt und weitere Informationen
Schaki-Regionalgruppe Rhein Main
Informationen für Familien von Schlaganfallkindern und Möglichkeiten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Kontakt und weitere Informationen
Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
Adressen, Broschüren und zahlreiche andere Informationen zum Vorbeugen, Behandeln und Leben mit den Folgen eines Schlaganfalls. Weitere Informationen. Die Stiftung unterstützt und initiiert auch Studien und Programme, darunter die Schlaganfall-Lotsen.
Kompetenznetzwerk Schlaganfall
Bundesweites Netzwerk von Ärzten, Wissenschaftlern, Selbsthilfeverbänden und anderen Organisationen zum Austausch von Informationen. Ziel ist die Verbesserung der Schlaganfall-Prävention und der medizinischen Versorgung. Neben Informationen findet man Links und Adressen zu Selbsthilfeorganisationen und Kliniken – und die Möglichkeit, das individuelle Schlaganfall-Risiko zu testen. Weitere Informationen
Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft e.V.
Forschen, fördern, umsetzen, so der Slogan. Die Site richtet sich in erster Linie an Experten. Betroffene finden Informationen zu aktuellen Entwicklungen und Studien. Weitere Informationen
Wichtige Risikofaktoren auf einen Blick
Zahlreiche Studien, darunter die aktuelle Interstroke-Studie zu Schlaganfällen in aller Welt, haben Wohlstandsgewohnheiten und -erkrankungen als Hauptursachen für den Schlaganfall identifiziert, die wichtigsten:
+Bluthochdruck
+Adipositas und starkes Übergewicht
+Bewegungsmangel
+Rauchen
+erhöhte Cholesterinwerte
+Diabetes mellitus
+übermäßiger Alkoholkonsum
+Stress
+Depressionen
+Herzrhythmusstörung
+familiäre Häufung
„Liegen zehn Risikofaktoren vor, beträgt die Schlaganfallwahrscheinlichkeit 90 Prozent“, sagt Professor Dr. Hans-Christoph Diener, deutscher Leiter der Interstroke-Studie.
Weitere Informationen zu Risiken und zum Vorbeugen finden Sie u.a. bei der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und bei der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft e.V.
Informationen, wie Sie das Risiko für Folgeschlaganfälle senken können, bietet z.B. die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe